22. April 2016 |

Zivilcourage und wann man sie braucht

Teresa Arrieta PorträtVon Teresa Arrieta
Ich halte mich für einen Menschen mit Zivilcourage: engagiere mich für die Rechte von Menschen, die es weniger gut haben, schreibe für Menschenrechte und gegen die Diskriminierung von Asylwerbenden. Doch wie weit es wirklich her ist mit meinem Engagement, musste ich unlängst schmerzhaft erkennen: Da war ich im Klosterneuburger Happyland-Bad schwimmen. Ich schwimme häufig und intensiv, mit durchaus sportlichen Ambitionen, als Ausgleich zu meinem sehr stressigen Alltag mit mehreren Jobs und Familie. Während dieser wertvollen Zeitfenster möchte ich nicht gestört werden.

Ausländische Jugendliche, besonders streng beäugt

Während ich meine Längen zog, kam eine Gruppe Jugendlicher, sie mögen um die 15 gewesen sein. Dem Aussehen und der Sprache nach waren es wohl Bewohner der Flüchtlingsunterbringung Magdeburgkaserne – junge Burschen, die vor Krieg und Verfolgung geflohen sind und voller Hoffnung in die Zukunft blicken. Sie tollten herum, prusteten im Wasser, sprangen vom Podest, redeten laut, lachten. Was Jugendliche halt so machen, wenn sie in der Gruppe unterwegs sind und sich ihres Lebens freuen. Hierbei haben es inländische Jugendliche schon nicht so leicht, ernten oft missbilligende Blicke. Bei „ausländischen“ Jugendlichen werden aber noch viel strengere Maßstäbe angelegt: eine ältere schwimmende Dame schnauzte die verdutzten Jugendlichen an, dass das Springen verboten sei. Danach kam bald ein Mann von draußen – vielleicht einer, der im Bad eine Chefposition inne hat, oder ein Privatmensch der sich berufen fühlte, und deutete und rief unfreundlich in Richtung der Jugendlichen. Diese kicherten zuerst und zogen sich dann bald zurück.

Ich habe geschwiegen

Während ich den Rest meiner Schwimmlängen zog, habe ich über das Erlebte nachgedacht. Am Ende stieg ich zeitgleich mit der alten Dame aus dem Wasser und wir plauderten noch freundlich über unsere sportlichen Leistungen. Mit keinem Wort habe ich ihr gesagt, was ich ihr eigentlich hätte sagen wollen: Dass der Tonfall gar nicht in Ordnung war, mit dem sie mit den Jugendlichen gesprochen hat. Dass Asylwerber ständig auf Ablehnung und Geringschätzung stoßen und dass es daher umso wichtiger ist, freundlich zu sein, um ein anderes Signal zu senden. Auch dem Mann habe ich meine Meinung nicht gesagt, dass nämlich Jugendliche Respekt verdienen wie jeder andere Bürger. Was wird aus Jugendlichen, die hier aufwachsen und aufgrund ihrer fremdländischen Wurzeln ständig auf Respektlosigkeit stoßen, sich gedemütigt und abgelehnt fühlen?

Seit einer Woche ist mir das Erlebte immer wieder in den Sinn gekommen. Es geht um Zivilcourage versus Feigheit. Es geht darum, sich zu exponieren, Diskussionen nicht zu scheuen, unbequemen Situationen nicht aus dem Weg zu gehen – auch wenn es um keine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung geht, sondern bloß um Respekt – doch letzterer rührt an die Menschenwürde. Nur, wenn viele Menschen den Mund aufmachen, und zwar hier und jetzt, wenn es gerade nötig ist, kann sich was ändern.

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