21. Januar 2015 |

Wählertäuschung mit Vorzugs stimmen und selbstgedruckten Stimmzetteln in der Bananen republik

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Teresa Arrieta

Von Teresa Arrieta
Europa hält viel auf sein demokratisches Wahlrecht: geheim, frei und so. Aber da hat Europa noch nicht in Niederösterreich nachgesehen, denn was hier erlaubt ist, ist höchstens in Bananien möglich. Da wurde beispielsweise die Schwiegermama von PUK-Mitglied Stefan Hehberger beim Einkaufen von einer fremden Frau angesprochen, und es wurde ihr ein weißer Zettel mit nix als einem weiblichen Namen in die Hand gedrückt, gepaart mit der Aufforderung, diesen Zettel doch bei den kommenden Gemeinderatswahlen der Urne zuzuführen. Welcher Partei der weibliche Name am Zettel angehört, wollte die Schwiegermama wissen und bekam darauf erst nach hartnäckigem wiederholten Nachfragen Auskunft: ja, es ist wahr, sie kandidiere für die ÖVP, rückte die Dame schließlich mit der Wahrheit heraus – und dieser Waschzettel, den die Schwiegermama nun in Händen hielt, könne in die Urne geworfen werden und besitze Rechtsgültigkeit. Das ist doch viel einfacher als das mühsame Kreuzerlmachen in der Wahlkabine, nicht wahr? Schließlich wollen wir die NiederösterreicherInnen nicht überfordern.

Wahlzettel gleich mit der Werbung frei Haus

Sie glauben mir diese Geschichte nicht? Sie hat sich jedoch vor einigen Tagen in Klosterneuburg genau so zugetragen: In Pröllistan räumt nämlich das Wahlrecht Parteien die Möglichkeit ein, persönliche Stimmzettel mit nichts als dem Namen der zu wählenden Person zu verteilen. Solche Stimmezettel kommen praktischerweise mit der Werbung ins Haus. (Zitat NÖN 14.1.15) Jeder dieser Zettel gilt, sobald er sich in der Wahlurne befindet, als eine Stimme für die betreffende Partei – selbst wenn sich in dem eingeworfenen Kuvert auch der amtliche Stimmzettel befindet und darauf eine andere Partei angekreuzt ist. Ich stelle mir lebhaft vor, wie sich Kandidaten vor Altersheimen postieren oder in diese eindringen und Menschen ihren „persönlichen Stimmzettel“ in die Hand drücken – und hoffe ganz fest, dass dies wirklich nur meiner Vorstellungswelt entspringt.

Lobgesang auf den mündigen Bürger

Die niederösterreichische Volkspartei hat laut Medienberichten bereits 1,5 Millionen nicht-amtlicher Stimmzettel drucken lassen, auch die SPÖ ist sich nicht zu schade, auf derlei Methoden zurückzugreifen, wie SP-Stadtrat Mann in einer Klosterneuburger Podiumsdiskussion am 14.1. zugegeben hat. Allerdings sei es bei den Roten immerhin Usus, diesem Zettel einen Parteienfolder beizufügen, damit für den Bürger erkennbar ist, welcher Partei er somit seine Stimme schenkt. „Der Bürger ist mündig genug, zu wissen, wen er wählen möchte“, rechtfertigt Bürgermeister Schmuckenschlager diese ÖVP Methode. In der aktuellen NÖN wird er mit den Worten zitiert: „Wir machen das sehr wohl, allerdings ist bei unserem persönlichen Stimmzettel der Kandidat nicht eingesetzt

– Wirklich, Herr Bürgermeister? Weiß die eine Hand nicht, was die andere tut? So jedenfalls sieht der ausgehändigte Schwiegermama-Zettel aus.
Gerns

Warum Parteien solche Privatzettel nicht wenigstens auch mit dem Parteinamen versehen, bleibt offen. Ebenso wie die Frage, wie das Verhältnis zwischen Listenreihung und Vorzugsstimmenreihung ausfällt: Schlägt die Menge der eroberten Vorzugsstimmen die Listenreihung? Wenn nicht, ginge ja die vergebene Vorzugsstimme an die Partei verloren – und damit wird wohl kalkuliert.  Das mutmaße nicht nur ich, sondern auch der Verfassungsexperten Univ. Prof. Heinz Mayer: “Eine gewisse Manipulationsmöglichkeit ist sicher gegeben“, wird er im ORF Radio Ö1 Interview zitiert. Mayer befürchtet, „dass Menschen, die das Wahlrecht vielleicht nicht so ernst nehmen, den nicht-amtlichen Stimmzettel, den sie nur mehr zusammenfalten und in die Urne werfen müssen, eher verwenden, als einen amtlichen, wo sie selbst aussuchen müssen, welche Partei sie wählen“. Und davon „würde wohl vor allem die ÖVP, die in Niederösterreich derzeit eine Vormachtstellung innehat, profitieren.” (Zitat Presse 9.1.15)

Ortsvorsteher-Vorzugsstimmentäuschung

Nochmal ärgerlicher wird dieser unwürdige Zustand, wenn man weiß, dass Kandidaten ihren Wählern seit Jahren suggerieren, dass sie ihren Ortsvorsteher mittels Vorzugsstimme bestimmen können („wählt´s mich wenn ihr mich zum Ortshäuptling wollt´s), wo doch in Wahrheit der Ortsvorsteher gar kein Gemeinderat ist.

Wahltourismus

Ebenso bedenklich ist der sogenannte Wahltourismus durch Nebenwohsitzler, ich zitiere aus einem aktuellen Artikel des Nachrichtenmagazins profil: „Der 25. Jänner wird für Bettina Rausch ein anstrengender Tag. Die 35-jährige ÖVP-Landtagsabgeordnete muss von ihrem Hauptwohnsitz St. Pölten in ihre Heimatgemeinde Krummnußbaum tingeln, wo sie einen Nebenwohnsitz bei ihren Eltern hat. Damit ist sie bei den niederösterreichischen Gemeinderatswahlen wahlberechtigt. Vom Nest im Bezirk Melk muss Rausch dann noch nach Obritzberg im Bezirk St. Pölten. Dort hat Rausch bei ihrem Freund Thomas Amon einen Nebenwohnsitz angemeldet – nur drei Tage vor dem Ablauf der Frist zur Eintragung in die Wählerevidenz. Amon wiederum ist dort schwarzer Jugendgemeinderat. Und in St. Pölten (die Statutarstadt wählt wie Krems und Waidhofen an der Ybbs nicht mit den anderen 570 niederösterreichischen Gemeinden) kann Rausch im Jahr 2016 noch eine dritte Stimme abgeben.“ (Link ganzer Artikel)

Fazit: Urteilen Sie selbst und machen Sie ihr Kreuz – aber bitte mit amtlichem Wahlzettel, sonst wird selbiger aus Kostengründen bald auch noch eingespart.

Kommentar Sibylle Hamann in der Presse 14.1. zum Thema.
(Bananenfoto: Justus Blümer,  https://www.flickr.com/photos/justusbluemer/)

Nachsatz: Die PUK fordert, nicht-amtliche Stimmzettel noch im Wahllokal auszuwerten
Siehe aktuelle Presseaussendung.

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