12. Dezember 2014 |

Ein Gießkannenbudget für Wohlhabende – Bernd Schweegers Kommentar zum Budget

Ein Gießkannenbudget für Wohlhabende – Bernd Schweegers Kommentar zum Budget 2015
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Der Zeitpunkt für schöpferische Zerstörung ist da

1942 prägte Joseph Schumpeter den Begriff „schöpferische Zerstörung“. Er bezog sichdabei auf einen Prozess industrieller Veränderung, der unaufhörlich das Wirtschaftsgefüge von innen heraus revolutioniert, alte Struktur zerstört und eine neue schafft. Ob Telegrafie statt Brieftaube, Kfz statt Kutsche, PC statt Schreibmaschine, erneuerbare statt fossile Brennstoffe – Beispiele gibt es viele. Abschnitte schöpferischer Zerstörung unterbrechen lange Phasen der „Regungslosigkeit“. Ich orte Vergleichbares für den Bereich der Politik. Verkarstete Strukturen, Klientelpolitik werden so lange weiterbetrieben, bis sie an sich selbst ersticken, und neue, kreative Ideen, Verfahren, Zugänge und Ziele ein neues Modell von Politik schaffen. Dieses revolutionierende Element der Neu-Gestaltung orte ich bei BürgerInnenbeteiligung. Manipulation, Beschwichtigungsmaßnahmen, Desinformation, Mitsprache ohne echtes Mandat, Versprechungen, die nicht erfüllt werden, können diesen Prozess zwar verlangsamen, nicht aber aufhalten. Ebenso wenig kann dies die enge Auslegung des „Amtsgeheimnisses“ – manchmal glaube ich, die Geographen haben sich darin geirrt, den Balkan östlich von uns anzusiedeln – „innerhalb der EU ist die Slowakei Vorreiter wenn es darum geht, öffentliche Ausgaben wirklich öffentlich zu machen. Seit 2011 werden alle von staatlicher Seite abgeschlossenen Verträge und Vergaben in der Slowakei auf einer zentralen Webseite veröffentlicht. Mehr noch: die Verträge treten erst dann in Kraft, wenn sie im Internet stehen.“ (zitiert aus: Science*orf.at, „Wie man Korruption verhindert“, Von Mathias Huter, abgefragt 7.12.2014). Die Veränderung wird nur umso radikaler erfolgen je mehr man versucht sie zu verzögern. Ebnet man den Weg dazu nicht freiwillig, öffnet man Populisten Tür und Tor. Die Praxis der Budgeterstellung folgt seit Jahrzehnten unveränderten Prinzipien, simplen Fortschreibungen statt mutiger Prioritätensetzung. Das nenne ich Stillstand. Damit wird eine zentrale Aufgabe der Politik nicht wahrgenommen. Einige wesentliche Bereiche:

17 mal mehr Geld für Straßenbau als für Radwege

Ich zitiere unseren PUK- Mitstreiter Klaus Peter Zulka: Zwei Tonnen Blech in Bewegung zu setzen um 80 kg Nutzlast für triviale Wege zu bewegen geht nur dann, wenn Energie fast nichts kostet und die Folgen dieses Energieeinsatzes als vernachlässigbar angesehen werden können. Ersteres scheint mir ein temporärer Trugschluss und Zweiteres ist ein längst sichtbarer katastrophaler Irrtum. Kommunalpolitik kann nun weiterhin die beschränkten Mittel in die Förderung des Automobilverkehrs stecken und dort weiter mehr Probleme schaffen als lösen. Oder sie kann Alternativen anbieten, die die Abhängigkeit vom Auto reduzieren; Raumplanung, die Wege unnötig macht, ein leistungsfähiges Öffi-System, Radinfrastruktur. Die Stadt- und Verkehrsplanung hat schon vor Jahrzehnten eingesehen, dass der zweite Weg der schlussendlich einzig gangbare ist. Wien hatte 1980 keinen einzigen Radweg, heute kommt man dort fast überall auf Radwegen hin. Ohne U-Bahn würde der Autoverkehr dort regelmäßig zusammenbrechen. Klosterneuburg ist da vergleichsweise in den 1950er-Jahren stecken geblieben. Und wir brauchen auch nicht unbedingt den Klimawandel zu strapazieren, obgleich dieser immer offensichtlicher wird, sondern nur an die Gesundheitsbelastung durch Luftschadstoffe zu denken. Wir geben weiterhin das 17fache des Radwegebudgets für Straßenbau aus, wenn man alles einrechnet, mehr fällt uns dazu nicht ein!

Geld für Müll und Abwasser versickert

Seit Jahren wird Gewinnabschöpfung der Kommunalbetriebe Müll, Wasser und Abwasser betrieben, kommendes Jahr geplante fast Mio. €3,8. Dieses Geld versickert anhaltend statt nachhaltig im Budget ohne Spuren zu hinterlassen. Würde man stattdessen eine massive Investitionsoffensive in erneuerbare Energien tätigen – selbstverständlich unter BürgerInnenbeteiligung – würde der österreichische Staat, sprich die SteuerzahlerInnen weniger in das uns erpressende Ausland – sei es nun Russland oder die Ölstaaten – abfließen lassen müssen. Oder man macht eine ernsthafte Offensive „leistbares Wohnen“ mit sozialer Treffsicherheit. Jedenfalls kann man nicht sagen, dass die Gemeinde ihren Gestaltungsspielraum für leistbares Wohnen nutzt.

Bildungskonzept ohne Finanzierung

Die gegenseitige Deckungsfähigkeit der meisten Budgetposten widerspricht dem Gedanken, dass Budgets in Zahlen gegossene Gesellschaftspolitik sind. BürgerInnen und KommunalvertreterInnen sollten sich verlassen können auf die Planungen. Wird das nachträglich aufgeweicht, leidet die Transparenz. Auch wird das Verantwortungsbewusstsein der Vollzugsorgane durch eine diffuse Macht des Faktischen ausgehebelt. Diese Planungsdefizite zeigen sich überall dort, wo wirklich sorgfältige Planung erforderlich wäre: Etwa im Verkehrswesen, bei der Schaffung eines lebendigen Ortszentrums Rathausplatz, beim Dorf- und Stadterneuerungs- und Stadtmarketingprozess. Ich verstehe einfach nicht, dass man Planungen vornimmt, wissend, dass außer Planungskosten noch weit bedeutendere Investitionen bevorstehen – und diese nicht vorsieht. Manchmal drängt sich der Verdacht auf, manche Planungen werden nur gemacht, weil mit irgendwelchen Subventionen (z.B. seitens der NAFES) gewunken wird. Katastrophal ist ein Bildungs- und Schulkonzept ohne Idee von Finanzierung, obwohl es aufgrund der Bevölkerungsentwicklung einen offensichtlichen Bedarf gibt. Die „mittelfristigen Planungen“ des Budgets spiegeln solche strategischen Investitionen in keinster Weise wider. Es sind bedeutungslose Zahlenspielereien – abzulesen an den Abschlüssen bzw. den Budgets der Folgejahre.

SteuerzahlerInnen grundlos mit Schulden belasten

Gängige Praxis ist, auf Teufel-komm-raus neue Darlehen aufzunehmen, deren Schuldendienst uns erdrückt. Vorgesehen sind diesmal Mio. €15,7 bei einem Schuldenabgang von knapp unter Mio. €4. Nicht alle Darlehen sind für Bereiche vorgesehen, die irgendeine Art von Rückflüssen generieren werden bzw. aus Gründen der Wohlfahrt wesentlich erscheinen. Von den unzähligen Darlehen, die gar nicht erforderlich wären, weil ohnehin Überschüsse erwirtschaftet werden, ganz zu schweigen. Medial aufgebauschte Jubelmeldungen, dass hier exzellent mit Fremdfinanzierung umgegangen wird, löst nur noch müdes Lächeln aus bei denen, die sich damit beschäftigen. Als „Ersparnis“ wird nämlich gefeiert, wenn längst beschlossene Ausgaben nicht schlagend werden, weil sie auf die nächste Budgetperiode verschoben wurden. Wenn ein Volksschulkind so agiert, schmunzeln wir. Wenn das hier gemacht wird, sollten alle laut aufbrüllen und die Budgetverantwortlichen in die politische Wüste schicken.

Klosterneuburg endlich in Tarifzone 100 einschließen, Gemeinde untätig

Insbesondere Maßnahmen gegen hohe Feinstaubbelastung werden praktisch nicht getroffen. Sei es nun Verkehrsberuhigung, thermische Sanierung von Gebäuden, Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs, z.B. durch Subventionen von Fahrscheinen an Tagen, an denen aufgrund meteorologischer Verhältnisse eine Überschreitung von Schadstoffgrenzen wahrscheinlich wird. Alle diese Bereiche sind trostlos unterdotiert. Dazu gehört auch Druck auf den Verkehrsverbund, Klosterneuburg in die Tarifzone 100 einzuschließen.

BürgerInnenbeteiligung bloßes Lippenbekenntnis

Erste Schritte sind gesetzt, weitere Schritte erfolgen halbherzig, oder nur nach Einsatz von Druck und Öffentlichkeitsarbeit. Man kann nicht BürgerInnenbeteiligung ankündigen, und dann einbremsen. Das Ergebnis kann – je nach Persönlichkeit derer, die sich motiviert engagiert haben – nur Frustration bis zu kalter Wut sein, also ein Rückschlag, der sinnvolle Beteiligung um Jahre zurückwirft, und Menschen sich daraufhin schulterzuckend abwenden. Dabei gibt es genug BürgerInnen, die viel Know-how einbringen können, wenn man ihnen nur die Möglichkeit bietet. Ein Jahr dauernde Schubladisierung von Ergebnissen der „Umsetzungsteams“ des Dorf- und Stadterneuerungsprozesse sind ein Beispiel. Weiteres Beispiel für Entmutigung bei BürgerInnenbeteiligung ist das Forum Radverkehr: Dort wurde den Mitgliedern der Mund wässrig gemacht durch die Möglichkeit Schwachpunkte aufzeigen zu können und in nachfolgenden Diskussion mit Gemeindevertretern zu konsolidieren. Und dann ist im Jahr 1 ein Budget von €0,- und im Jahr 2 ein Budget von €100.000,- eingeplant. Zur Veranschaulichung: dieses Budget reicht gerade aus, dass eine größere und eine kleinere Maßnahme umgesetzt werden können. Dabei sind weit über 100 Problempunkte aufgezeigt worden.

Bürgerbudget: Mitgestalten bei den Gemeindefinanzen

Hingegen könnte, um die Demokratie zu stärken, ein BürgerInnenbudget eingeführt werden. Das könnte auf zumindest zwei Methoden getan werden:
Möglichkeit 1: man bietet BürgerInnen in demokratischer Abstimmung die direkte Entscheidung, welche von mehreren alternativen Projekten (aufgrund budgetärer Enge) umgesetzt werden sollten.
Möglichkeit 2: Ein Budgetteil – z.B. €500.000,- wird für BürgerInnen-Projekte vorgesehen. In einem BürgerInnenprozess werden diese Projekte ausgearbeitet und gereiht. Die Gemeinde berechnet daraufhin die Kosten und setzt das Mögliche im Rahmen der Mittel dieses Budgetteils um. Ich denke man wird sich über die Reife der BürgerInnen, die sich ernst genommen fühlen, wundern. Für mich steckt in solchen Entwicklungen, in denen BürgerInnen, Verwaltung und Politik auf Augenhöhe kooperieren, eine unverzichtbare Chance. Voraussetzung ist allerdings auch, dass das Budgetkonvolut in seiner Les- und Nachvollziehbarkeit verbessert wird.

Anachronismen vom Essensmarkerl bis zum Amtsblatt als ÖVP-Sprachrohr

  • Anachronismen wie Essensmarken für alle (!) MitarbeiterInnen ohne soziale Staffelung kosten an die €200.000,-. Bei dieser Budgetlage ist dieses Privileg zu streichen.
  • Auch wenn die Kosten des „Amtsblatts“ seit Jahren unverändert sind, das Organ ist aber noch weit davon entfernt, Platz für eine lebendige Auseinandersetzung mit kommunalen Themen zu bieten. Hier sollte weniger die subtile Selbstbeweihräucherung der ÖVP im Vordergrund stehen, als vielmehr eine Möglichkeit für alle Fraktionen und BürgerInnenlisten, Standpunkte zu Fragen kommunalen Interesses unzensiert zu deponieren und Dialog auf breiter Basis zu initiieren.
  • Gender-Budgeting – die Berücksichtigung spezieller Interessen von Frauen und Männern bei der Verteilung der Budgetgelder – ist eine Verpflichtung, die in der Verfassung festgeschrieben ist, aber von Klosterneuburg nach wie vor ignoriert wird.
  • Das Gießkannenprinzip bei der Vergabe von Förderungen statt einer ausgearbeiteten Vergabepolitik mit zeitgemäßen Kriterienkatalogen ist abzulehnen.
  • Mangel an Ideen/“Visionen“, wie Klosterneuburg in 20 Jahren ausschauen soll, daher ist von Zukunftsinvestitionen z.B. in den Bereichen Energie und Verkehrswesen keine Rede.
  • Dafür haben wir die alljährliche Weihnachtsbe- statt -erleuchtung…
Gießkannenprinzip – Förderung auch für Wohlhabende

Aus unserer Sicht sollte der Beschluss über dieses Budget durch den jetzigen Gemeinderatgar nicht mehr erfolgen, sondern erst durch den nächsten Gemeinderat (rechtliche Möglichkeiten dafür lassen sich wohl finden, oder das Votum scheitert an einer Verweigerung der Opposition). Ich wünsche mir einen radikal anders zusammengesetzten Gemeinderat, der dann die zentrale Aufgabe wahrnimmt, der Hoheitsverwaltung strategisch ausgewählte Prioritäten und Richtlinien vorzugeben – was in diesem Budget vollständig fehlt – und endgültig vom Gießkannenprinzip Abschied nimmt. Die Bevölkerung hat die Möglichkeit, dies in wenigen Wochen zu beeinflussen und kann das auch; sie sollte sich nur an das erinnern, was schon Henry Ford meinte: „Whether you think you can, or you think you can‘t – you‘re right“. Wir werden jedenfalls das vorgelegte Budget nicht mittragen.
Bernd Schweeger

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