24. September 2017 |

Herr Backovsky, treten Sie zurück? Offener Brief an den Propst des Stift Klosterneuburg

Teresa Arrieta PorträtSehr geehrter Herr Backovsky,

Zahlreiche kirchliche Missbrauchsskandale wurden in den letzten Jahren publik. Nun stellt sich also heraus, dass sexuelle Gewalt auch von einem damaligen Chorherren im Stift Klosterneuburg ausgeübt wurde. Nach Abgleich der offenbar gewordenen Fakten ergeben sich Widersprüche, zu denen Sie bisher geschwiegen haben, auch von der Gemeinde Klosterneuburg kam bisher kein öffentlicher Kommentar. Daher ersuche ich Sie als Gemeinderätin und Obfrau der Bürgerliste PUK im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Klosterneuburgs um Aufklärung.

Sie schreiben in einer Presseaussendung, dass Sie nach Bekanntwerden der Tat kirchenrechtlich für den Unterhalt des Täters, Herrn V. verpflichtet waren, aber:

„Diese Verantwortung endete mit seinem Austritt im Jahre 1994.“

Daraus ergeben sich folgende Fragen:
Da Sie also angeben, nur bis 1994 mit Herrn V. in Kontakt gestanden zu sein.

  • wieso war er dann im Stift Klosterneuburg bis 1996 gemeldet laut Auskunft Meldeamt?
  • Wieso war Herr V. in der Wiener Wohnung am Saarplatz, einer Immobilie des Stifts, von 1996-98 gemeldet laut Nachrichtenmagazin profil? Also zu einem Zeitpunkt, als Sie bereits Propst waren?

Weiter schreiben Sie:

Von seiner Priesterweihe durch den Bischof von Oradea wusste das Stift nichts. Wir wurden auch nicht kontaktiert. Es ist festzuhalten, dass der damalige Novizenmeister und heutige Generalabt Propst Bernhard Backovsky keinerlei Bemühungen unternahm, um eine Priesterweihe des Herrn V. in irgendeiner Weise zu ermöglichen.“ 

Wieso gibt dann ein ehemaliger Chorherr, der in der Zwischenzeit in Bayern Pfarrer war, an, Sie hätten ihn in einem Brief gebeten, sich für Herrn V. nach dessen Pfarrerweihe zu verwenden, damit er als Pfarrer in Bayern unterkommt? Diese Aussage liegt mir schriftlich vor und ich habe mit dem Geistlichen auch telefoniert, um mich von der Authentizität des Schreibens zu überzeugen.

Herr V. hat sich nach dem Missbrauch in Klosterneuburg im Jahre 1993 auch 2002 in Deutschland  an einem 11-jährigen Jungen vergangen und wurde dafür auch verurteilt. Es gibt Hinweise, dass er sich auch weiterhin im Umgang mit Minderjährigen immer wieder auffällig und distanzlos verhielt. Im ORF werden Sie mit den Worten zitiert:

„Dass man keine Anzeige erstattet habe, sei der Wunsch der Mutter des missbrauchten Ministranten gewesen, zu dem sie bis heute steht“.

  • Ging der Wunsch, die Angelegenheit nicht publik zu machen, tatsächlich ganz allein von der Mutter aus? Und wie steht das damalige Opfer selbst aus heutiger Sicht zur Entscheidung seiner Mutter? Aber vielleicht herrscht ja gutes Einvernehmen zwischen Ihnen und dieser Familie..?
  • Haben Sie sich persönlich beim Opfer für die erlittene sexuelle Gewalt im Namen des Stifts entschuldigt?
  • Haben Sie schon erwogen, den heute erwachsenen Mann finanziell für die erlittene Tortur zu entschädigen? Wir hielten ein solches Angebot für angemessen, auch wenn Geld erlittene seelische Qual niemals kompensiert. Wir wissen nicht, wie sehr diese Tat das Opfer traumatisiert und sein weiteres Leben beeinträchtigt hat.
  • Warum erstatten Sie nicht wenigstens jetzt endlich Anzeige, so wie es die Diözese Würzburg im vergangenen Juni getan hat, als der österreichische Fall in den deutschen Medien publik wurde? (Der Täter lebt ja heute in der Diözese Würzburg).

Es scheint so zu sein, dass Sie, Herr Backovsky, nicht alle Ihre Möglichkeiten ausgeschöpft haben, um einen Pädophilen im Rahmen Ihrer Möglichkeiten aus dem Kirchenbetrieb zu entfernen. Vielmehr gibt es glaubwürdige Aussagen und Unterlagen, die zeigen, dass Sie sich offenbar dafür eingesetzt haben, dass er in Deutschland als Pfarrer unterkommt. Es kam dann zu weiteren Missbrauchstaten im Rahmen der Kirche. Ihre Rolle als moralisches Oberhaupt des Stiftes ist massiv beschädigt für mich. Daher fordern wir, die Bürgerliste PUK, Sie auf, diese Widersprüche in ihrer damaligen Rolle aufzuklären und appellieren an den Gemeinderat, das ebenso zu fordern, anderenfalls Sie zurücktreten sollten.

Hochachtungsvoll,

Teresa Arrieta, PUK Bürgerliste Klosterneuburg

Am 24. September 2017

Belege:

Diözese Würzburg https://www.pow.bistum-wuerzburg.de/index.html/dioezese-wuerzburg-zeigt-ruhestandspriester-an/6f1c01de-190b-47b4-9b54-03f641713c9b?mode=detail

ORF Fernsehbeitrag https://tvthek.orf.at/profile/Aktuell-in-Oesterreich/13887571/Aktuell-in-Oesterreich/13946374/Sexueller-Missbrauch-im-Stift-Klosterneuburg/14136156

Nachrichtenmagazin profil
16.9.17 https://www.profil.at/oesterreich/stift-klosterneuburg-missbrauch-jahren-8313584

23.9.17 https://www.profil.at/oesterreich/ungereimtheiten-missbrauchsfall-klosterneuburg-8328853

Zeitung Main Post Deutschland 9. Juni 2017, print-Ausgabe
Die Zeit https://www.zeit.de/2002/20/Suender_im_Talar

Presseaussendung Stift

https://www.stift-klosterneuburg.at/press/sexueller-missbrauch-war-und-ist-fuer-das-stift-klosterneuburg-unentschuldbar/

Weitere Quellen:
Auskunft Meldeamt, Auszug Grundbuchamt Wien, Brief Eichstätt.

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