Stadtentwicklungskonzept 2030+ und was damit geschieht

Porträt Stefan Hehberger PUK
GR Ing. Stefan Hehberger

Von Stefan Hehberger

Wie Bürger in die Stadtentwicklung eingebunden werden, oder auch nicht….

Stefan Hehberger ist Mitglied in der Steuerungsgruppe zum Stadtentwicklungskonzept 2030+ und zieht ein kritisches Resümee anlässlich des heutigen Beschlusses im Gemeinderat und wagt einen Ausblick, denn der nun anlaufende Prozess hat große Auswirkungen auf Klosterneuburgs Bautätigkeit und Siedlungspolitik.

Heute, in der 39. Gemeinderatssitzung, wird die finale Version der STEK 2030+ Leitsätze durch die Mitglieder des Gemeinderates verabschiedet – später wird daraus ein konkreter neuer Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, aber nicht nur das. Bis zum heutigen Beschluss war es bereits ein weiter Weg, den ich hier beschreiben möchte: 

Ein verstaubtes örtliches Entwicklungskonzept war der Anfang

Wohin sich die drittgrößte Stadt von Niederösterreich, unser Klosterneuburg, weiter- und hin entwickeln will, bestimmt auch das Örtliche Entwicklungskonzept (ÖEK). Das alte ÖEK, das per Gesetz verordnete Regelwerk der Raumplanung, stammte noch aus 2004 mit einem großen Update von 2009. Nicht mehr ganz zeitgemäß also. Im Raumordnungsgesetz steht: spätestens nach ca. 10 Jahren ist eine vollständige Neufassung notwendig. In den Augen der PUK jedenfalls längst überfällig für Klosterneuburg. Die schlimmsten Auswüchse des alten ÖEK wurden gehäuft ab dem Jahr 2015 in regelmäßigen Abständen an den Gemeinderat über den Speakers-corner und diverse Unterschriftenlisten und Widerstandsgruppen von BürgerInnen herangetragen: Monsterbauten, Grundstückszusammenlegungen mit gleichzeitiger Neuteilung derselben um die mindeste. Bauplatzgröße von 500m2 leichter zu erreichen und die bekannten 2WE (Wohneinheiten) mit den „bösen“ Doppelhaushälften bestmöglich auszunützen.

Ein kaputtgebaute Boomstadt?

Weiteres Beispiel: auch die begehrten und hoch spekulativen Bauland-Agrarflächen, die ja mit 4WE bebaubar sind, haben die Volksseele immer wieder zum Überkochen gebracht. Denn der typische Klosterneuburg-Charakter, die vielgerühmte Lebensqualität und das Ambiente eines Weinhauer-Vorortes von Wien sind deshalb großteils verloren gegangen. Auch die bekannten Einfamilienhäuser-Struktur wurde durch unschöne Siedlungen von Doppel- und Reihenhäuser-Strukturen und großvolumigen Wohnbau verschandelt. Die Niedrig-Zinspolitik der EU hat diesen Bauboom in der Boomstadt Klosterneuburg (wörtliche Bezeichnung unseres Hrn. Bürgermeisters) den beschleunigt. Zwar hat das alte ÖEK die Nachverdichtung im Bereich der Hauptachsen als Ziel beschrieben – doch das wurde in Klosterneuburg allzu exzessiv umgesetzt!

Alle Fraktionen gestalten mit

Gegen Ende 2016 startete also ein Hoffnungsprozess: wir wollen uns nicht länger den spekulativen Bauträgern ausliefern und das Zepter der Gestaltung unserer Stadt wieder in die eigenen Hände nehmen. Unter STR Christoph Kaufmann wurde eine paritätische Steuerungsgruppe aus den fünf im Gemeinderat vertretenen politischen Fraktionen gebildet. Leider gleich zu Beginn unter keinem guten Vorzeichen. Die leitende Stadtplanerin ging nach ihrer ersten Babypause gleich in die Zweite und so musste sich ein ganz junger Gemeindemitarbeiter in die Thematik einarbeiten. Als junger Uni-Absolvent wohl kein leichtes Vorhaben.

Fehlentscheidungen und Abhängigkeiten

Eine weitere folgenschwere Fehlvergaben der Klosterneuburger Bauabteilung an ein Büro für die begleitenden Bürgerbeteiligung scheiterte im Jänner 2018 grandios schon bei der Kick-off Veranstaltung – eine neue Agentur musste gefunden werden. Diese Faktoren haben den Zeitplan ordentlich ins Schleudern gebracht. Die dann folgende langjährige, intensive und sehr nahe Zusammenarbeit mit einem langjährig von der Gemeinde beschäftigten Raumplanungsinstitut ist einerseits verständlich aber auch bedenklich! Solche Abhängigkeiten sollten meiner Meinung in Zukunft vermieden werden. Es kann nicht gut gehen, wenn ein und dasselbe Unternehmen die jährlichen Flächenwidmungs-Auflagen übernimmt und auch gleichzeitig mit so einem umfassenden Konzept wie der Neugestaltung des ÖEK betraut wird. Detailwissen aus diesen engem Zusammenspiel der Details und der große Wurf für eine Stadtentwicklung „zwicken“ sich erheblich. Immer wieder habe ich das Gefühl, dieses Unternehmen Firma versucht, den Spagat weiter im Geschäft zu bleiben und verliert dabei den Mut, Veränderungen für unsere Stadt vorzuschlagen. Die Hand, die einen füttert, beißt man bekanntlich nicht!

Interessensgruppen wurden vernachlässigt

Im Frühjahr 2018 musste also die Prozessbegleitung durch ein Hearing und ein Ausscheidungsverfahren für die Bürgerbeteiligung neu vergeben werden. PlanSinn ging als Sieger heraus. Ich war ein Befürworter dieser Entscheidung und glaube, ohne diese Begleitung wäre der Prozess komplett gescheitert. Eines war aber von Anfang an klar: Dieser Wechsel mitten im Ablauf kann nur eine Verzögerung bedeuten. Mit den abgegebenen Positionspapieren von Vereinen, Schulen und Interessensgemeinschaften hat sich jedoch auch PlanSinn schwer getan. Darin steckt auf jeden Fall ein Problemkern. Einige sehr aktive Gruppen hat man im Ablauf komplett vernachlässigt. Ich habe 2 oder 3 mal einen Anlauf gestartet, um diese berechtigten Blickweisen auf die Stadtentwicklung nicht aus den Augen zu verlieren. Aber ich scheiterte am Widerstand oder der Trägheit der Gruppe.

Fragwürdige Umfrage

Mit der dann vorgenommenen Online und Papierumfrage gab es im Denkprozess den nächsten großen Arbeitspunkt. Dieser wurde aber durch mangelnde Publicity und zu wenige Infos an die Bevölkerung im Vorfeld mit den Fragestellungen aber besonders mit der recht ungeschickten Ankündigung versemmelt:. Sehr späte Ankündigungen auf Homepage und Amtsblatt und relativ kurze Antwortzeiten sowie die zeitgleiche Umfrage zur Mobilität hat bei vielen Bürgern Überforderung und, ja auch Verärgerung ausgelöst. Was ihr alles wissen wollt von uns…..so viel zum Ausfüllen, hätte man das nicht vereinfachen und gemeinsam verschicken können…. waren die negativen Reaktionen aus der Bevölkerung, die mich erreicht haben. 1.500 Antworten sind bei 35.000 gemeldeten KlosterneuburgerInnen ja eine mittlere Beteiligung. Ich hätte mir noch mehr gewünscht, es hätte den Prozess sicherlich gestärkt.

STEK Bürgerbeteiligung, Stadtentwicklungskonferenz

Abwesender Bürgermeister, aktive BürgerInnen

Der nächste Schritt waren vier Denkwerkstätten mit ganz konkreten Themen und Schwerpunkten in unterschiedlichen Katastralgemeinden mit direkter Bürgerbeteiligung (Verkehr, Naturraum usw). Das kann aus meinen Augen als großer Erfolg bezeichnet werden. Mit Sicherheit war dies die erste große Möglichkeit, dass sich BürgerInnen an vier Abenden wirklich aktiv in die Arbeit stürzen konnten. 200-250 Bürgerinnen und Bürger, einige davon mehrmals, nahmen dieses Angebot in Anspruch. Dieser Prozessteil wurde meiner Meinung hervorragend von PlanSinn gemeistert, vorbereitet und dokumentiert. Auch mit schwierigen Bürgermeinungen wurde professionell umgegangen. Hingegen habe ich mich dabei oft gefragt: wo bleiben der Bürgermeister Schmuckenschlager und Vizebürgermeister Honeder? Sie hätten Gelegenheit gehabt, viele Stimmungen zu hören. Warum holen sie sich diese Meinungen also nicht „hautnah“ ab? Ein Versäumnis der Sonderklasse wie ich finde. Dafür war die Beamtenschaft an den Tischen in der Durchführung dieser Arbeit (placement methode und world Café) sensationell eingebunden. Von der Baupolizei und Tiefbauamt bis zum GIS Planer, vom Sekretariat bis zur Liegenschaftsverwaltung. Sehr toll und hochaktiv bis spät in den Abend!

Budgetplanung ohne Berücksichtigung des Willens der Bevölkerung

Klare Wünsche und Vorstellungen der Bürgerinnen waren ab diesem Zeitpunkt für die Politik erkennbar. Eigentlich hätte das Budget für 2019 ab diesem Zeitpunkt nach erfolgter Bürgerbefragung und Bürgerbeteiligung angepasst werden sollen – als Zeichen, dass der Willen der Menschen ernst genommen wird und nicht bloßes Feigenblatt ist. Ein Beispiel: Ausbau der Radwege zählte bei der Umfrage an die Bevölkerung zu den obersten Prioritäten. Das Radwegbudget beträgt jedoch 5000 Euro (sic!) für das ganze Jahr – das ist ein Hohn.

Die Leitsätze sind zu schwammig

Heute, in der 39. Gemeinderatssitzung, wird die finale Version der STEK 2030+ Leitsätze durch die Mitglieder des Gemeinderates verabschiedet. Diese Sätze sollen die Leuchtkraft auf die noch zu erstellenden, einzelnen Ziele, Maßnahmen und Bewertungskriterien ausstrahlen. Das heißt, wir benötige starke Aussage und möglichst klare Formulierungen der Leitsätze, die dann auch möglichst starke Zielsetzungen und kontrollierbare und messbare Maßnahmen für die Fachplaner vorgeben. Wenn der Leitsatz als Knochengerüst zu schwach ist, wird er auch die Muskeln und das Fleisch darauf kaum, schlecht oder eben überhaupt nicht tragen können. (Beispiel: „Schutz“ der Natur oder „Pflege“ der Natur?) Daher ist die Leitsatzformulierung, die Aufgrund des herrschenden Zeitdrucks als Dringlichkeitsantrag eingebracht wurde, für heute ein entscheidender Tagesordnungspunk der Sitzung. Zeitgleich versucht man noch vor der Sitzung ab 13 Uhr an den Formulierungen in einer Abschlussklausur aller politischen Fraktionsmitglieder endzuverhandeln.

PUK kämpft für klare Worte

Wir von der PUK sind da wohl der härteste Fels in der Brandung. Der Ausgang steht Spitz auf Knopf! So können die in nur einem Leitsatz vereinbarten Ziele von Klimaanpassung und Klimaschutz nicht mit dem mutigen und raschen Wandel der Umstellung auf erneuerbare Energieträger vermischt werden. Hier spießt es sich noch gewaltig. Man gewinnt den Eindruck, die ÖVP möchte möglichst vage Leitsätze formulieren, die einerseits wenig verbindlich sind und mit denen andererseits alle politischen Gruppen leben können. Auch wenn das auf dem Prinzip der Steuerungsgruppe fußt, dass der Konsens unter allen Beteiligten gefunden werden muss, können wir schwache Leitsätze so 1 zu 1 nicht mittragen. Letztlich geht es um die gesamte Entwicklung unserer Stadt bis 2030 und darüber hinaus.

Update: So lauten nach harter Diskussion die letztgültigen Leitsätze, wie sie vom Gemeinderat einstimmig beschlossen wurden:

Klosterneuburg:

….steuert restriktiv die Siedlungsentwicklung.
…fordert Bürgerbeteiligung und bekennt sich zu einer transparenten und integrativen Stadtplanung.
…schätzt, pflegt und schützt die Natur und seine Kulturlandschaft.
…setzt Maßnahmen zum Klimaschutz, zur Anpassung an den Klimawandel sowie zur CO2 Reduktion.
…verlagert aktiv den Verkehr auf nachhaltige Mobilitätsformen.
…gestaltet öffentliche Flächen als Lebens- und Aufenthaltsraum für alle.
…setzt auf Forschung und Entwicklung im Rahmen einer aktiven Betriebsansiedlungspolitik.
…eröffnet Perspektiven für Bewegung und Erholung in der Natur.
…bietet für alle Generationen ein umfassendes Angebot an sozialer Infrastruktur.
…verbindet in Kultur und Kulinarik Tradition und Moderne.

So entsteht eine neue Flächenwidmung

Die heute abgesegneten Leitsätzen übernehmen die FachplanerInnen (Knoll, ÖIR , Znizekt und Stadtplanungsbeamtenschaft) und erarbeiten Fleisch und Muskeln – also konkrete Ziele und Maßnahmen, die dann wieder in der Steuerungsgruppe diskutiert, neu gereiht, verändert und ergänzt werden. Dieser Prozess ist im Frühjahr 2019 geplant und stellt die eigentliche Kernarbeit des STEK 2030+ dar und wird viele Seiten Papier füllen. Leider sehen wir an diesem Punkt keine Bürgerbeteiligung mehr. Das ist schade, denn da sollte es sehr wohl Feedbackrunden mit der Bevölkerung geben. Wir werden uns dafür einsetzen, auch hier die weitere Einbindung der Bevölkerung zu erreichen – ein Muss für ein erfolgreiches Erstellen eines solchen Konzepts. Dieser Prozess ist für Frühjahr 2019 geplant und stellt die eigentliche Kernarbeit des STEK 2030+ dar und wird viele Seiten Papier füllen. Leider sehen wir an diesem Punkt keine Bürgerbeteiligung mehr. Das ist schade, denn da sollte es sehr wohl Feedbackrunden mit der Bevölkerung geben. Wenn sich die Steuerungsgruppe STEK auf ein Endpapier von Leitsätzen, Zielsetzungen und den damit verbundenen Maßnahmen und Messkriterien geeinigt hat, wird aus dem STEK 2030+ das neue Klosterneuburger ÖEK (Örtliches Entwicklungskonzept). Ab diesem Zeitpunkt kommt es in eine Auflage. D.h. Bürgerinnen und Bürger haben die Möglichkeit, Stellungnahmen abzugeben, die dann von der Verwaltung zu prüfen sind. Somit gibt es noch einmal die Möglichkeit, als Bürger seine Stimme zu erheben.

Danach erhält die Stadt ein neues Gesicht

Nach dem die Stellungnahmen eingearbeitet oder wie sehr oft als unbegründet abgewiesen werden wird das ÖEK dem Gemeinderat präsentiert und zur Beschlussfassung vorgelegt. Danach kann es verordnet werden! Ab diesem Zeitpunkt löst es das alte ÖEK aus 2004 ab und hat somit weitreichende Wirkung für Klosterneuburg und seine BürgerInnen. Das ÖEK hat große Wirkung auf den Flächenwidmungsplan und auch auf den Bebauungsplan. Das sind die mächtigsten Werkzeuge der Raumplanung der Stadtgemeinde. Das Siedlungsgebiet ist ganz stark abhängig davon, was in diesem ÖEK stehen wird. Im Endeffekt hat es auch Auswirkung auf jedes einzelnen Grundstück, sein zukünftiges Aussehen (was darauf gebaut werden darf) und wieviel es einmal wert sein wird (Geschossflächen usw). Mit einem starken ÖEK können auch Verkehrsmaßnahmen und Sicherheitsvorgaben der Gemeinde begründet und umgesetzt werden! Dies Strahlkraft eines wohl überlegten und zukunftssicheren ÖEK ist enorm wichtig für eine Stadt und seine Entwicklung und auf das Lebensgefühl seiner BürgerInnen mit immenser Auswirkung verbunden.

Weiterlesen:

Dokumentation der Stadtgemeinde
https://www.klosterneuburg.at/de/stek2030plus/STEK_2030_

Viel heiße Luft um nix – Bericht einer verärgerten Bürgerin von der Stadtentwicklungskonferenz

 

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