Schwebendes-Haus
4. April 2020 | ,

Die schwebende Hütte von Klosterneuburg: wie der Bauwahn skurrile Blüten treibt

Von GR Stefan Hehberger

Für Außenstehende ist es kaum zu glauben was sich derzeit am Kollersteig an der Grenze zum Wienerwald im Grünland von Klosterneuburg abspielt. Gemunkelt wurde ja schon länger, dass sich auf den verwilderten Grundstücken mit der kleinen, alten Holzhütte etwas abspielt. Schwarze, verdunkelte Großlimousinen (mit dem Stern und dem W für Wien auf der Stoßstange) sind aufgefahren. Schwups war das Grundstück gerodet, doch was sich genau zum Corona Krisenausbruch mit der kleinen Holzhütte abspielte, trieb so einigen Nachbarn die Zornesröte ins Gesicht. Ein großer Raupenbagger und rund 120 dreiachs-Muldenkipper haben großflächig Erdreich und Felsen abtransportiert. Das ging über Tage hinweg, Chaos auf den steilen und engen Straßen, auf denen sich schon die ansässigen Anrainer mit ihren PKWs schwertun, besonders wenn von der Bundesregierung das Motto “Bleibt Zuhause und geh nicht weg” ausgegeben wurde. Aber offensichtlich war es den neuen Besitzern und der Baufirma wichtig, das Ganze schnell, diskret und unauffällig über die Bühne zu bringen. 

Schwer LKWs donnern durch enge Straßen

Die Transport-Sondergenehmigungen waren von der Behörde Klosterneuburg bereitwillig vergeben worden, was bewirkt hat, dass die Straßen verschmutzt und arg in Mitleidenschaft gezogen wurden. Anzeigen an die BH-TU und so Mails an die Stadtgemeinde waren die Folge. Was geschieht dort im Grünland? Damit wurde auch GR Hehberger konfrontiert. Grünland ist eigentlich, wie es schon der Name beschreibt, eine Bezeichnung des Flächenwidmungsplanes. Eigentlich darf auf diesen Grundstücken nicht viel passieren. Ein “Gebäude im Grünland” (GEB) ist ein Teil des Siedlungsgebietes, man darf dort sein Gemüse anbauen, den Rasen mähen und zur Erholung den Liegestuhl aufstellen und sich ausruhen und die Natur genießen. Das Grünland ist also eine wichtige Pufferzone zwischen den verbauten Gebieten (Bauland Kerngebiet, und Bauland Wohngebiet) und dem “wilden” Wienerwald, der Klosterneuburg umschließt!

Aus Hütten werden Villen

Doch so einfach ist das in Klosterneuburg nicht und der Teufel liegt im Detail der Historie begraben. Vor vielen Jahren begann das Unheil, still und teilweise hinter verschlossenen Beamtentüren im Rathaus von Klosterneuburg. Denn man erkannte richtig, dass sich diese Grundstücke langsam und wohl auch unter langer Duldung der Behörden entwickelt haben. Aus den kleinen Gerätehütten der Selbstversorger (für den angesprochenen Liegestuhl und die Gartenhacke) wurden Häuser. Nicht nur die Häuschen wuchsen, sondern auch die Begehrlichkeiten der darin lebenden Menschen. Hauptsächlich Zweitwohnsitzer aus der nahen Großstadt Wien. Die Ortswasserleitung, ein ausgebauter Weg, die Stromleitung wurden gefordert und gebaut in diesen steilen und engen Gräben und Randlagen von Klosterneuburg. Aber diese Begehrlichkeiten der Menschen hatten Ihren Preis. Die Finanzlöcher der Gemeinde wurden größer und größer. Wer das Budget der Stadt schon einmal im Zahlenwerk gesehen hat, erkennt: das sind Millionen von Schillingen für Wasser-, Kanal- und Straßenbau gewesen, die mittlerweile rund 70 Millionen Euro betragen. Da musste selbst die ÖVP Regierung die Zügel anziehen und so begann man, diese Randlagen aus dem Bauland in das Grünland zu verschieben.

Spekulanten riechen das große Geld

Teilweise haben das die Besitzer (aus Wien) weit vor der Jahrtausendwende nicht einmal mitbekommen, einige hatten aber sehr wohl die Einspruchsmöglichkeiten genutzt und ihre “etwas vergrößerte Holzhütte” als erhaltenswertes Gebäude im neuen Grünland eintragen lassen. Rund 245 solcher GEBs im Grünland gibt es weiter in der Gemeinde. Was anfänglich als Schutz des Eigentums der Erbauer diente, wurde nun ein Recht im Flächenwidmungsplan – auch für nachkommende Generationen. Was natürlich gut ist für die eigentlichen Besitzer, wird nun zum Bumerang der Boomtown-Stadt und der Bauabteilung. Doch es wird auch durch den enormen Baudruck ein Fluch für die Nachbar. Denn mit der Eintragung GEB x-y+ sind auch weitreichende Rechte verbunden. Meist wollen die erste Eigentümer diese kaum nutzen, aber nach dem Ableben oder durch Verkauf scheinen die Erben, listige Projektentwickler, Bauträger, Spekulanten, Architekten oder neureiche BürgerInnen das große Geld zu riechen.

Das Land und die Stadt-ÖVP sind untätig

GEB dürfen saniert, erneuert und erweitert werden und so treibt das schwebende GEB wohl eine einzigartige Blüte in der Bauweise von Klosterneuburg. Gewerke unter Niveau scheinen keine Rolle im Grünland zu spielen. Auflagen zum Naturschutz oder mit der kritischen Klimasituation scheint ein Fremdwort für die Baubehörde und das Referat für Tiefbau und Verkehr zu sein. Wozu gibt es mit Tonasche beschränkte Gemeinde-Straßen, wenn diese willfährig den Bauträgern durch Sondergenehmigungen erlassen werden? Wer zahlt die Schäden am öffentlichen Gut und den Auswirkungen an Umwelt und Natur? Warum wird dem Ansuchen der PUK an das Land NÖ, doch endlich die NÖ-Bauordnung klimafit zu machen, mehr als ein halbes Jahr nicht nachgegangen oder bearbeitet? Warum wird den NÖ Gemeinden kein tauglicher Werkzeugkasten in die Hand gegeben, wie das Landtagsabgeordneter Mag. Kaufmann (Leiter der STEK und ÖEK Gruppe und ehemaliger Stadtrat für Planung und Entwicklung in KLBG) schon mehrmals behauptet hat? Wo sind die dringend notwendigen Lösungen, Vorgaben und Spielregeln um hier endlich eine gewisse Abschreckung auszusprechen?

Stinkende Jauchewagen werden kommen

Bald kommen vielleicht „touristisch“ interessierte BürgerInnen und Raumplaner, um sich die Kuriosität am Kollersteig, das schwebende GEB, genauer anzusehen. Die Frage, die sich aufdrängt: wird der neue (hoffentlich Hauptwohnsitzer) von KLBG mit einem Prachtbau am Juche glücklich sein? Ein stinkender Jauchewagen mehr, der die Abwässer wohl zweimal im Monat von dort oben ausführen wird, ist von ihm und den darunter wohnenden Anrainern wohl hinzunehmen. Mehr Streusalz wird die Gemeinde benötigen, denn mit Sicherheit werden mindestens 2 PKW mehr die steilen und engen Straßen befahren, um dort bei jeder Wetterlage weg- und wieder hin zu kommen.

Welche Auswege ergeben sich aus der Misere in Zukunft? Schon in der Diskussion zum Stadtentwicklungskonzept spielten die GEB ein hitzige Rolle. Die ÖVP hält weiter die schützende Hand über diese Hütten und Häuser, ganz klar ist dies festzustellen. Wie sich das aber mit dem ersten Leitsatz “KLBG steuert restriktiv die Siedlungsentwicklung” verbinden lässt, wird sich zeigen. Nach den klaren Zugewinnen an Stimmen und Macht wird nun erstmals der wichtige Stadtplanungsausschuss von den Grünen besetzt. Ob die Erbschuld der GEBs einer nachhaltigen Lösung zugeführt werden kann, bleibt abzuwarten. Wann das schwebende GEB am Kollersteig zur Landung ansetzt, bleibt abzuwarten. Einstweilen fahren die vierachs-Betonmischer bis an die Grenze des Wienerwaldes.

Was wären Verbesserungsvorschläge:

  1. Trennung der disziplinären Zugehörigkeit der Abteilung Stadtplanung mit den Agenden Raumordnung von der Stadtbaudirektion (immer wieder erkennbarer Interessenkonflikt) 
  2. Besserer Katalog der GEB Erweiterungen und Sanierungen (NÖ Bauordnung ist da viel zu schwach und undetailliert)
  3. Ausgleichsmaßnahmen bei Erweiterung und Sanierung einfordern
GR Stefan Hehberger ist Mitglied im Planungsausschuss Klosterneuburg
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