Die Vorgeschichte reicht viele Jahrzehnte zurück. In anderen Randgebieten von Klosterneuburg hat die damalige ÖVP Regierung noch unter Bürgermeister Dr. Schuh großflächig Bauland in Grünland oder mit deutlich niedrigeren Bauklassen umgewidmet. Doch nicht im Siedlungsgebiet Josefsteig, welches fast bis zur Höhenstraße zwischen Leopolds- und Kahlenberg reicht. Dieses Gebiet zeichnet sich durch seine Höhe und steilen Hänge aber auch für einen gigantischen Blick ins Donautal auf Klosterneuburg und Wien aus. Für alle Arbeiten kein leichtes Unterfangen, auch nicht für die Schaffung und Erhaltung von infrastruktureller Versorgung. Das beginnt bei einem eigenen Hochbehälter für Trinkwasser, geht über die Straßenerhaltung im 22% steilen Gelände und endet mit einem Millionen-teuren Kanalausbauprogramm. Dieses Kanalprojekt (weil immer wieder wegen der hohen Kosten verschoben) wurde in den Jahren 2022 bis 2024 nun doch von der Stadtgemeinde Klosterneuburg in Angriff genommen.
Eine positive Besonderheit sei erwähnt: Bei der Entwicklung dieses Siedlungsgebietes wurden für Fußgänger:innen zwei optimal gelegene Durchwegungen („Abschneider“) vom Josefsteig zur Anzengrubergasse und weiter zum Lannersteig und der Lothringerstiege mitgeplant. Diese verkürzen und erleichtern den Anschluss an den Regionalbus 400 für diese Gegend ganz entscheidend.
Nach dem Kanalbau erfolgte der endgültige Straßenausbau. Die Planungen dafür reichen bis zu meinem Vorgänger Dr. Kehrer zurück. Der Verkehrsausschuss entschied sich mehrheitlich (mit Beteiligung von 4 ÖVP Madatar:innen und dem 1 Koalitionspartner NEOS) für folgende Prinzipien:
- Gebiet ist eine „Sackgasse“ im Gemeindegebiet; somit gilt am Josefsteig Tempo 30 km/h
- Berücksichtigung des Planungsleitsatzes „Stadt der kurzen Wege“
- Aktive Verlagerung der Mobilität auf nachhaltige Formen
- Augenmerk auf die schwächsten Verkehrsteilnehmer:innen (Kinder, ältere und mobilitäts-eingeschränkte Menschen), Einbau von Gehsteigen und Querungshilfen
So wurde unter Einbindung von Verkehrsplanern und dem weisungsfreien Verkehrssachverständigen in 3 Schritten eine Verkehrsberuhigung vorgesehen:
- eine Straßen-Schwelle vor der Einmündung des Josefsteig in die Landesstraße L117 (Höhenstraße), um die Vorrangverhältnisse klarzustellen);
- eine Fußgänger-Querungshilfe bei beschriebenem Abschneider und Wechsel der Gehsteigseiten am Josefsteig und dem Abkürzer in Richtung Wien;
- eine Querungshilfe beim Kreuzungsabzweiger Seitweg.
Es folgten Baubesprechungen und Informationen, die von der Verwaltung sowie der bauausführenden Firma mit den unmittelbar betroffenen Anlieger:innen abgehalten wurden. Es gab breite Zustimmung, und so wurde im Sommer 2024 die Arbeiten ausgeführt.
Doch trotz breitem Konsens im Vorfeld wurde Unmut gegen diese Schwellen laut. Eine prominente Person schaltete sich in die Diskussionen ein und drang damit bis zum Bürgermeister vor. Mehrere schriftliche Stellungnahmen von unmittelbar betroffenen Anrainer:innen für den Erhalt dieser Schwellen (wurde im Ausschussprotokoll festgehalten) half allerdings nichts mehr. Die Straße wurde Hals über Kopf und auf Weisung „von ganz oben“ von einer anderen Baufirma umgebaut, die Schwellen – wie am Foto ersichtlich – sind entfernt.
Es wurde wohl – ohne den Versand des noch nicht genehmigten Ausschussprotokolls abzuwarten – auf Anweisung des Bürgermeisters sofort der Abbau der Schwellen beauftragt. Es wurden davor keine Messungen (Zahl der Verkehrsteilnehmer:innen, Wirkung der Verkehrsberuhigung) veranlasst bzw. ausgewertet, keinerlei geringfügigere und wohl auch Steuergeld-schonende Anpassungsmaßnahmen überlegt, oder auch nur die Erfahrungen aus dem ersten Winter abgewartet.
Herr Bürgermeister Kaufmann hat mit dieser Hauruck-Aktion vielleicht einige wenige Wählerstimmen im Autofahrer- und Geschwindigkeits-Bolzer-Lager am Josefsteig gewonnen. Doch das ÖVP-Versprechen, sich für die Reduktion der Treibhausgase, sichere Straßen für Fußgänger:innen und Radfahrende und die Mobilitätswende einzusetzen, hat damit komplett seine Glaubwürdigkeit verspielt. Statt dessen haben wir ein Paradebeispiel für Klientelpolitik vorgesetzt bekommen.
So werden die Grundsätze des mit breitem Konsens 2019 beschlossenen Stadtentwicklungskonzepts (STEK 2030+) ad absurdum geführt. (Wen wundert es da noch, dass sich die geplante Halbzeit-Bilanzierung des STEK im Budget 2025 leider nicht ausgeht?)
Nachspiel: Nachdem die Zusatzkosten für die Entfernung dieser Rampe mit – sehr gering erscheinenden – 5.000 Euro angegeben wurden, soll der Prüfungsausschuss ersucht werden, den Fall zu überprüfen. Die umgesetzten Maßnahmen stimmen auch nicht mit jenen überein, die im Ausschussprotokoll dokumentiert wurden (Es sollten im Straßenbelag zwei Steinreihen als „optische Schwelle“ bestehen bleiben).
Pressestatement https://www.noen.at/klosterneuburg/klosterneuburg-temposchwelle-entfernt-anrainerin-mausi-lugner-gott-sei-dank-451538857
1,2 Meter lange und nur wenige Zentimeter hohe Auf- und Abfahrtsrampen, die einer Temporeduktion und Querungshilfe für die schwächsten Verkehrsteilnehmer:innen dienen hätten sollen, wurden ohne Daten- und Erfahrungserfassung nur wenige Monate nach Aufbau, durch neuerlichen Steuergeldeinsatz, wieder abgebaut. Stadt- und Verkehrsplanung à la ÖVP in Klosterneuburg.
VCÖ Factsheet: Mehr Sicherheit im Ortsgebiet durch wirksame Tempolimits