12. September 2015 |

Blog zu Wien-Umgebung Auflösung: Die gefühlte Demontage unserer Stadt

Bildschirmfoto 2015-01-19 um 02.09.17Von Johannes Kehrer.
Gleich von mehreren Seiten widerfährt Klosterneuburg dieser Tage (zumindest gefühlte) Ungerechtigkeit. Nachdem die ÖBB vor kurzem verkündete, dass eine Vielzahl an Zügen in Klosterneuburg künftig nicht mehr halten werden, wird nun völlig überraschend der Bezirk Wien-Umgebung zerschlagen und auf andere Bezirke aufgeteilt. Die Hauptstadt des Bezirks mit der zweitgrößten Kaufkraft in ganz Niederösterreich, selbst drittgrößte Stadt des Bundeslandes, wird der Stadt Tulln untergeordnet. Die Bezirkshauptmannschaft, ein junges Gebäude mit zig Arbeitsplätzen wird den Platz räumen und eine Lücke hinterlassen. Diesen Beschluss hat die ÖVP Niederösterreich gefasst und – glaubt man Bürgermeister Schmuckenschlager – über den Kopf der Stadt hinweg entschieden. Der Bürgermeister selbst habe auch erst „aus den Medien“ davon erfahren.

Inszenierung durch die Volkspartei?

Am Mittwoch haben ÖVP-Mitglieder der Landesregierung in Mauerbach getagt, um die Zerschlagung des Bezirks zu beschließen, tags darauf will der Bürgermeister das erste Mal davon gehört haben. Gleich stellt er sich demonstrativ gegen diese Maßnahme und fordert – durchaus sinnvolle – Entschädigungen und Abschwächungen für die Stadtgemeinde. Doch, dass in einer Stadt, einer absoluten ÖVP Hochburg innerhalb des Landes, wo ein Landtagsabgeordneter im Gemeinderat sitzt und unsere warmherzige Innenministerin wohnt, niemand in der Volkspartei davon gewusst haben will, scheint schwer zu glauben. Die ÖVP wird doch nicht wissentlich ins offene Messer laufen und ihre hier starke Position schwächen. Viel eher erscheint realistisch, dass das Land unter dem scheidenden „Landesvater“ bewusst als böse hingestellt wird (während er sich für seine „Verwaltungsreform“ auf anderer Ebene feiern lassen kann, auch wenn das sicher die einzige Maßnahme dieser „Reform“ bleiben wird), und sich unsere Stadtregierung durch standhaftes Fordern von Zugeständnissen in die Herzen der Bevölkerung kämpfen will.

Soll sein, es geht ja schließlich um das Wohl unserer Bevölkerung, zur Not auch durch inszenierte parteiinterne Tricke – aber dann sollten wir an unseren Forderungen arbeiten, und das sind folgende:

Was wird gefordert?

Dass Wien Umgebung ab 1. Jänner 2017 Geschichte ist, ist wohl unverrückbar. Daher bringt es nicht viel, damit zu hadern, viel wichtiger ist es, einen kühlen Kopf zu bewahren und einen Vorteil aus unserer Position als Stadtgemeinde zu ziehen. Eine BH-Außenstelle müssen wir fordern, jedoch ist eine solche Einrichtung aufgrund der Einwohnerzahl Klosterneuburgs ohnehin vorprogrammiert. Hier geht es auch um die Erhaltung der Arbeitsplätze im Landesdienst (die wohl ohnehin gewährleistet ist). Spannend ist auch die Prüfung der Möglichkeit, zur Statutarstadt zu werden, eine hochinteressante und aus Oppositionskreisen schon häufig geäußerte Forderung. Wann, wenn nicht jetzt könnte das Land bei so einem Wunsch weich werden? Weiters müssen wir Eigenbedarf für das Gebäude der BH Wien Umgebung anmelden. Das Rathaus, das demnächst eine Millioneninvestition für Renovierung und Barrierefreiheit benötigen würde, könnte durch ein hochmodernes Verwaltungsgebäude im Herzen der Stadt abgelöst werden. Unsere Unterstützung in all diesen Forderungen hat Bürgermeister Schmuckenschlager, auch wenn sie nicht schwer zu erreichen sein werden.

Zu guter Letzt ein eigenes Kennzeichen. Abgesehen von der Abgrenzung aller Autoeigentümer gegenüber den Tullnern hat das zwar keinen Nutzen; der Ruf danach und seine Öffentlichkeitswirksamkeit sind allerdings nachvollziehbar. Tatsächlich scheint in den sozialen Medien die Angst, ein TU auf seinem Kennzeichen führen zu müssen, die Größte im Rahmen dieser Zusammenlegung zu sein. Wie wäre es aber mit mutigen Forderungen, von denen die Stadt nachhaltig profitieren könnte?

Aufteilung des Bezirks Wien-Umgebung
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Bezirk_Wien-Umgebung#/media/File:Auteilung_des_Bezirks_Wien-Umgebung.png
Autor: Kontrollstellekundl – Diese Datei wurde von diesem Werk abgeleitet Gemeinden im Bezirk Wien-Umgebung.png:

Warum nicht Bezirk „Klosterneuburg“?

Zuallererst sollte man nämlich diese Eingliederung in den Bezirk Tulln hinterfragen. Bleibt Tulln die Bezirkshauptstadt und Klosterneuburg mit etwa doppelt so vielen Einwohnern muss sich unterordnen, wedelt der Schwanz sprichwörtlich mit dem Hund. Daher muss unsere Stadtpolitik geschlossen die klare Forderung nach Klosterneuburg als Bezirkshauptstadt aussprechen! Eine Volksbefragung zum Thema wäre der Klosterneuburger Bevölkerung gegenüber nur fair und würde der Forderung (so die Bevölkerung das auch wünscht) noch mehr Nachdruck verleihen. Auch die Frage der Statutarstadt könnte Teil dieser Volksbefragung sein.Selbst wenn der Forderung nach dem Bezirk Klosterneuburg nicht nachgegeben wird, stärkt sie die Verhandlungsposition für Zugeständnisse anderer Art seitens des Landes, nämlich echte Verbesserungen.

Wir wollen echte Verbesserungen!

Und hier komme ich wieder auf die eingangs erwähnte Ankündigung der ÖBB, alle „schnellen“ Züge nicht mehr in Klosterneuburg und St. Andrä halten zu lassen, zurück. Laut Verkehrsverbund Ost-Region erlaubt der Fahrplan, die S-Bahn Richtung Tulln statt bisher im Halbstundentakt, auch im Viertelstundentakt zu führen. Die Züge sind tagsüber stets überfüllt – der Viertelstundentakt überfällig. KlosterneuburgerInnen würden profitieren, auch jene, die nicht Bahn fahren, da der Durchzugsverkehr auf der Straße aus dem Tullnerfeld durch den Ausfall der „ schnellen“ Zughalte in St. Andrä weiter ansteigen würde, während ein Viertelstundentakt auf der S-Bahn gepaart mit Park & Ride Maßnahmen das Gegenteil zur Folge hätte. Die Kosten für Schienenverkehrsleistungen übernimmt grundsätzlich das Land, also bitte, das wollen wir! Denn eine Reduktion der Zughalte bei steigendem Öffi-Anteil ist unter jeder Kritik! Wenn sich diesbezüglich nicht bald etwas tut, werdet Ihr uns mit Unterschriftenlisten am Bahnsteig antreffen – noch hoffen wir auf eine einvernehmliche Lösung. Eine weitere Bürde, die der Stadt abgenommen werden sollte, wäre das Baumax-Dilemma: Dieser steht vor dem Verkauf und die Sammlung Essl wird künftig aller Voraussicht nach um Förderungen ansuchen müssen um weiter zu bestehen, auch da darf aus unserer Sicht das Land einspringen, da der Stadt ohnehin eine halbe Million Euro pro Jahr an Kommunalsteuern entgehen, weil die Baumax Zentrale schließt. Und die Familie Essl hat immer stolz betont, keine öffentlichen Gelder zu beantragen zu wollen. Und die Liste kann beliebig weitergeführt werden…

Eine Frage des Charakters

Die Zerschlagung des Bezirks Wien Umgebung ist eine Tatsache, ob die Stadt darunter leiden wird, die Menschen lediglich mit kosmetischen Maßnahmen besänftigt werden, oder ob die Stadt davon profitieren kann, steht noch in den Sternen. Bleibt zu hoffen, dass die Stadt tatsächlich ihren Nutzen daraus ziehen kann – und „Onkel Erwin“ trotz seiner Überdrüber-Reform nicht Bundespräsident wird.

Nach oben scrollen