27. April 2015 |

Blog Rostockvilla – Ein Versuch der Sachlichkeit

Rostockvilla
Foto: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Rostockvilla.jpg

Von Johannes Kehrer.
Gerade in den letzten Wochen war die Rostockvilla das bestimmende Thema in der Lokalpolitik. Von den Grünen wurde der Erhalt der Rostockvilla als wichtigstes Wahlkampfziel ausgerufen, dementsprechend nachdrücklich agieren sie in dieser Thematik. Es gelangten Ausschussunterlagen an die Öffentlichkeit, ein Vertrag mit dem Land, in dem angeblich eine Umwidmung beschlossen wäre. Grüne und ÖVP bezichtigten einander gegenseitig des Lügens. Auch die PUK veröffentlichte eine Presseaussendung, die zum Teil missverständlich aufgenommen wurde. Nun versuche ich jegliche Parteipolitik beiseite zu lassen und h die drei Entscheidungsmöglichkeiten, die in der Gemeinderatssitzung am 25.4. zur Abstimmung standen, sachlich zu erläutern – alle mit ihren Pros und Contras. Davor ist allerdings ein kurzer Blick auf die jüngere Historie der Liegenschaft hilfreich.

Warum besteht jetzt Handlungsdruck?

Im Jahr 2009 wechselte die – bis dahin im Gemeindebesitz stehende – Rostockvilla ins Eigentum des Landes Niederösterreich. Für die Gemeinde auf den ersten Blick ein guter Deal – das Land plante gemeinsam mit dem Bund ein Lesekompetenzzentrum in der Villa zu errichten und sie somit weiter öffentlich zugänglich zu halten. Sollte das Land die Vereinbarung nicht halten, so hätte die Stadt sowohl ein Rückabwicklungsrecht dieses Verkaufs als auch ein Vorkaufsrecht auf die Liegenschaft im Falle einer Veräußerung von Seiten des Landes. Und diese steht nun an: Nachdem das Lesekompetenzzentrum aus finanziellen Problemen für Bund und Land kein Thema mehr waren und die Bausubstanz der denkmalgeschützten Villa zusehends litt, entschied sich das Land nun, die Rostockvilla zu veräußern. Womit die Gemeinde wieder unter Zugzwang kam. Leider wurden die GemeinderätInnen der Opposition erst im letzten Moment über den Vertragsentwurf zwischen Land und Stadt informiert, eine öffentlich ausgetragene Kontroverse war die Folge.

Ausgangslage

Momentan handelt es sich bei der Liegenschaft um 2 Grundstücke (Schießstadgasse 2 und 2a), ein Grundstück mit den Teilflächen 630m2 mit der Widmung Grünland-Parkanlage (im Bereich des Einfahrtstores) und 1543m2, sowie dem Rest des Grundstücks mit 814m2 als Bauland Sondergebiet Museum & Archiv mit einer max. Bauhöhe von 12m (60% Verbauung und Bauklasse IV,V). Entsprechend dieser Widmung befinden sich momentan das Mährisch-Schlesische Museum und das Feuerwehrmuseum in den Gebäuden, allerdings gibt es mit beiden Betreibern bereits Konsens über eine Übersiedelung – die Feuerwehr will die Exponate für die Feuerwehrjugend in einem ihrer Feuerwehrhäuser unterbringen, dem Mährisch-Schlesischen Museum wurden Räumlichkeiten am Kasernenareal in Aussicht gestellt.Um sich Klarheit zu verschaffen, hat PUK Gemeinderat Stefan Hehberger auch das vom Land in Auftrag gegebene Bewertungsgutachten (3.3.2015) eingesehen.

Die Entscheidungsmöglichkeiten

Letzten Freitag stand der Tagesordnungspunkt Rostockvilla an, und nun konnte der Gemeinderat gemäß der oben erläuterten Vereinbarung mit dem Land zwischen folgenden Varianten entscheiden:

1. Wahrnehmung des Vorkaufsrechts

Um rund 2 Mio. Euro könnte die Stadtgemeinde die Liegenschaft rückkaufen. Gemäß fachlich fundierter Schätzungen würde eine Sanierung des Gebäudes – noch ohne weitere Adaptierung auf eine bestimmte Nutzung – noch einmal über 2 Mio. Euro kosten, womit für die Stadt einmalige Kosten von über 4 Mio. Euro entstehen würden. Diese Variante wird von den Grünen vehement gefordert um den Erhalt zu sichern und das Gebäude weiterhin als Kulturstätte öffentlich zugänglich zu halten.
+: In Stadteigentum ist die volle Kontrolle über die Liegenschaft gewährleistet und ein Erhalt des Gebäudes als gesichert anzusehen.
+: die Rostockvilla bleibt als Kulturstätte öffentlich der Klosterneuburger Bevölkerung zugänglich.
-: Die Investitionskosten von >4 Mio. Euro belasten das ohnehin angespannte Budget der Stadtgemeinde in großem Maße – gerechtfertigt in Relation zum Nutzen für die breite Bevölkerung?
-: Selbst wenn die Investitionskosten gestemmt werden könnten, eine Kulturstätte wie diese würde die Stadt wohl auch laufend Geld kosten. Eine von den Grünen angestrebte Lösung mit privaten und öffentlichen Betreibern klingt verlockend, allerdings wurden dahingehend keine konkreten Konzepte erstellt, sodass es ungewiss erscheint, ob hier eine Nutzung der Villa realistisch ist, die nicht wieder die Steuerzahlenden über Gebühr belastet.

2. Verzicht auf das Vorkaufsrecht aber Vereinbarung mit dem Land

Das Land Niederösterreich hat der Stadtgemeinde einen Vertragsentwurf zukommen lassen: Sollte die Stadt das Vorkaufsrecht nicht wahrnehmen, so könnte sie trotzdem am Verkauf beteiligt werden. Tritt man der Vereinbarung näher, so wird jeglicher Verkaufsgewinn über 2 Millionen Euro zwischen Stadt und Land fifty-fifty geteilt (zB: verkauft das Land um 2,5 Millionen, gehen 250.000 an die Stadt). Allerdings gibt die Stadt dadurch eine Absichtserklärung ab, die eine Verwertung der Liegenschaft auch für andere Nutzungen ermöglichen soll und somit potentielle Käufer anlocken soll. Der entscheidende Passus dieser Vereinbarung lautet wie folgt:
Weiters wird die Stadtgemeinde Klosterneuburg gegenüber der LIG vor Einleitung des Verkaufsverfahrens eine Erklärung abgeben, dass sie einer Änderung der Nutzungsart des derzeit gewidmeten Baulandes der gegenständlichen Liegenschaft in die Widmungskategorie „Bauland-Kerngebiet“ mit einer für die Nachnutzung „Wohnen“ geeigneten Bebauungsdichte – unter Berücksichtigung des Schutzzonenmodells der Stadtgemeinde Klosterneuburg, im Einklang mit dem Stadtbild und unter Einhaltung aller rechtlichen Rahmenbedingungen – grundsätzlich positiv gegenübersteht.
+: Der Stadtgemeinde entstehen keine Kosten, möglicherweise jedoch Einnahmen aus dem Verkaufsgewinn.
+: Das Gebäude steht unter Denkmalschutz, wodurch auch private Käufer die Substanz nicht verändern dürfen und der Erhalt der Rostockvilla somit sehr wahrscheinlich ist.
-: Die Absichtserklärung einer Umwidmung birgt Gefahren (die aber nicht unbedingt eintreten müssen). Einerseits könnte – selbst bei Erhalt der Villa – eine weitere Verbauung des Grundstückes möglich sein, andererseits kann das Land durch Pochen auf diese Absichtserklärung politischen (wenn auch nicht rechtlichen) Druck auf die Stadt ausüben.
-: Verfall der Rostockvilla möglich. Die einzige Möglichkeit, den Denkmalschutz eines Gebäudes zu umgehen wäre, das Gebäude „kontrolliert“ verfallen zu lassen. Das würde allerdings Jahre bis Jahrzehntelang brauchen und ist wohl eher unwahrscheinlich – nichtsdestotrotz, ein genaues Durchleuchten der Motive potentieller Käufer durch das Land ist unbedingt notwendig! Sollte ein Käufer nur an der Villa interessiert sein, ohne weitere profitbringende Baukörper dort errichten zu wollen ist jedoch ein Preis von über 2 Mio Euro (plus die Sanierung!) schwer vorstellbar, warum die Veriinbarung das Risiko eines „gerissenen Bauträgers“ erhöhen dürfte.
Mit Stimmen von ÖVP, SPÖ und Neos wurde diese Variante im vergangenen Gemeinderat beschlossen.

3. Verzicht auf das Vorkaufsrecht ohne Vereinbarung mit dem Land

Als dritte Möglichkeit bestand der Verzicht des Vorkaufsrechts ohne Absichtserklärung gegenüber dem Land. Somit würde man den Erhalt der momentanen Widmung „Museum“ ohne weiteres aufrecht erhalten können – und möglicherweise als Druckmittel für den Erhalt der Villa nutzen. Diese Variante wurde Seitens der PUK schon im Vorfeld präferiert, auch die FPÖ sprach sich im Gemeinderat für diese Variante aus, ebenso die PUK.
+: Durch die Widmungshoheit seitens der Stadtgemeinde kann ein privater Investor nur in enger Zusammenarbeit mit der Stadt etwaige Wohn- oder Gewerbenutzungen verwirklichen – die Stadt hat somit großen Einfluss und faktisch ein Veto-Recht.
+: Mit der vorhandenen Widmung ist ein hoher Kaufpreis schwer vorstellbar. STR Pitschko von der FPÖ schlug deswegen vor, ein weitaus geringeres Kaufangebot, etwa um 1 Mio. Euro beim Land abzugeben. Somit könnte die Villa deutlich günstiger doch wieder der Stadtgemeinde zufallen. Siehe Gutachten mit 1,247 Mio.
-: Sollte ein hoher Verkaufspreis erzielt werden, entgeht der Stadt im Vergleich zur Lösung inkl. Vertrag mit dem Land Geld.
-: Auch hier – unabhängig von der Widmung – ist der „kontrollierte Verfall“ durch einen neuen Eigentümer möglich. Jedoch wäre die Widmungshoheit auch dann für einen Neubau noch ein Hindernis, wodurch die Stadt eine gute Verhandlungsposition innehat.
Kritisch hervorzuheben ist, dass die Stadtregierung die Infos zum Vertragsentwurf und die Entscheidungsgrundlagen so spät zur Verfügung gestellt hat. Mit überschaubarem Aufwand hätte man ein Szenario für Ankauf und Selbstverwertung mit Zahlen belegen können, um dem Gemeinderat sowie der Öffentlichkeit eine bessere Basis zur Meinungsbildung zu liefern.

Johannes Kehrer ist Verkehrsstadtrat von Klosterneuburg. Bildschirmfoto 2015-01-19 um 02.09.17

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