8. September 2014 |

Flächenfraß in Klosterneuburg

Von Lisa Pröglhöf und Bernd  Schweeger.
Ab dem Einsetzen des Baubooms in den 60/70er Jahren vermisst man eine über einen längeren Zeitraum vorausschauende und visionäre Raumplanung der zuständigen Gemeindepolitiker. Während der vergangenen 40 Jahre wurde vom Klosterneuburger Ausschuss Stadtplanung – immer eindeutig dominiert von ÖVP-Politikern – nicht zukunftsgestaltend AGIERT, sondern nur auf die sich zwangsläufig ergebenden Probleme REAGIERT. Anscheinend ohne sich über die Konsequenzen des ungebremsten Siedlungswachstums für die Stadt im Klaren zu sein, wurden die Baulandwidmungen in den topographisch schwierigen Bereichen, den vielen Seitentälern, den Gräben und Hängen massiv gefördert. Dieser von der ÖVP geförderte  „Flächenfraß“ hat dazu geführt, dass Klosterneuburg das in NÖ flächenmäßig größte Gemeindegebebiet mit Infrastruktur (Straßen, Wasser, Kanal Winterdienst…) zu versorgen hat. Von der Kommune muss das längste Straßennetz Nieder-Österreichs betreut werden. Das schlägt sich mit einer gewaltigen Summe jährlich im Gemeindebudget zu Buche; wir alle werden deswegen durch die ständig steigenden Abgaben und Gebühren zur Kassa gebeten.

Andere Gemeinden haben längst Notbremse gezogen

Das Problem des massiven Zuzuges in den so genannten Speckgürtel von Wien, betrifft ja alle Umlandgemeinden. Aber einige von ihnen haben rechtzeitig die Notbremse gezogen weil sie erkannt haben, dass die „Häuselbauerei“ zwar kurzfristig die ortsansässige Wirtschaft ankurbelt, aber längerfristig die vorhandenen gewachsenen Strukturen zerstört und daher kein Zusammengehörigkeitsgefühl mehr bei der Bevölkerung entstehen kann. Diese Gemeinden haben aus Gründen der Erhaltung der Lebensqualität für die bereits ansässigen BürgerInnen, ziemlich rigoros Bauland-Rückwidmungen vorgenommen. Rückwidmungen sind natürlich finanziell schmerzlich für eine Gemeinde, aber machbar. Es gibt in der Bundesrepublik Beispiele, wo solche Rückwidmungen auch ohne großen finanziellen Aufwand für die Gemeinde möglich sind: für einen (freiwilligen) Verzicht auf Bebauung von „Grätzl-Grundstücken“ wird dem Eigentümer Ersatz durch Baumöglichkeit (Baurecht, Liegenschaftsanteile usw.) auf Grundstücken geboten, deren Bebaubarkeit angepasst – also deren Wert erhöht wird.

Schluss mit Zersiedelung

Ein Umdenken ist daher dringend erforderlich!! Oder soll unsere Stadt nur mehr aus einem Konglomerat von Ein- und Zweifamilienhäusern bestehen? Sind wir dann nur mehr eine Satteliten-Stadt von Wien ohne eigene Identität? Nicht umsonst kritisierte der Rechnungshof in seinem letzten Bericht, dass bei Ausnützen der ca 16% Baulandreserve die geplante maximal zumutbare Klosterneuburger Bevölkerungszahl von 35.000 Einwohnern bei weitem überschritten werden wird. Das widerspricht dem örtlichen Entwicklungs-Konzept (ÖEK) aus 2004, in dem von der Klosterneuburger Stadtregierung als oberste Priorität eine maximal kommunal zu versorgende Bevölkerungszahl von 35.000 Einwohnern festgeschrieben worden ist. Sollen die bereits in Bedrängnis geratenen gewachsenen Ortszentren der Katastralgemeinden durch hinein gepferchte großvolumige Wohnbauten total zerstört werden? Soll das Stadtzentrum mit seinen Schulen und Ämtern unter noch mehr Verkehrsbelastung der BürgerInnen leiden, die zwangsläufig den Stadtkern aufsuchen müssen um die kommunalen Einrichtungen zu nutzen?

Lebendige Ortszentren

Örtliche Entwicklungskonzepte und Bebauungspläne einer Stadt sollten identitätsstiftend sein und Verbundenheit mit der ganzen Gemeinde bewirken. Alte Strukturen sollten erhalten werden, neue Bauten sollten sich harmonisch dem Bestand anpassen. Kompromisslose Selbstverwirklichung einzelner Bauherrn hat noch nie ein Stadtbild positiv geprägt. Auch hier kann die Gemeinde lenkend eingreifen – wenn sie es nur will – und zwar mit den „Klosterneuburger Bebauungsvorschriften“. Die zentralen Bereiche sind es, die das Gesicht und den Charme dieser Stadt ausmachen – oder besser ausgemacht haben – und die Kommunikationszentren sein sollten (es auch einmal waren) und damit Orte sozialer Begegnungen für alle KlosterneuburgerInnen.Vergangene hausgemachte Sünden können kaum mehr rückgängig gemacht werden – daher wurden große Hoffnungen in die Überarbeitung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes gesetzt. Die Überarbeitung des Örtlichen Entwicklungskonzeptes (ÖEK) steht an und sollte 2017 abgeschlossen sein. Es muss Platz geschaffen werden für Visionen.

Stadtgefühl ist Lebensqualität

Sinnvoller wäre statt Zersiedelung eine „Verdichtung“, also die Nutzung von Bauflächen innerhalb des städtischen Bereiches. Natürlich darf dies nicht geschehen, ohne dass die notwendige Infrastruktur gegeben ist oder geschaffen werden kann (wie z.B. Kindergarten, Spielplätze, Nahversorgung, Anbindung an den Öffenlichen Verkehr usw.). Das gesetzliche Instrument dafür ist die Vertragsraumordnung! Es gilt die Chance wahrzunehmen, „ausgleichend“ auch im dichter verbauten Gebiet zu handeln, da dort die meisten Fehlplanungen der Vergangenheit passiert sind, hat man das Ungleichgewicht an Belastungen für die BürgerInnen zwischen „in der Stadt“ und denen „da draußen“ noch verstärkt. Ziel muss es sein, ein „Stadtgefühl“ aufkommen zu lassen; so dass man statt: „Ich wohne in Klosterneuburg“ sagen kann „Ich lebe in Klosterneuburg“. Nur wenn BürgerInnen sich mit ihrer Stadt wirklich identifizieren können, werden sie sich auch aktiv bei Projekten einbringen.

Dr.Bernd Schweeger und Lisa Pröglhöf vertreten seit 2005 die PUK im Gemeinderat.

 

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