Blog Hochwasserschutz versus Naturschutz – Ein Widerspruch?

Von Ilse Wrbka-Fuchsig

Müssen wir uns wirklich vor allen Eventualitäten schützen?
Baufirmen profitieren, die Natur bleibt auf der Strecke.

Entlang des Marbachs – einem kleinen Seitenbach des Kierlingbachs – entsteht derzeit das erste von mehreren Rückhaltebecken zum Hochwasserschutz für Maria Gugging und Kierling. Es ist Teil des Projektes „Hochwasserschutz Kierlingbach“, das noch 4 weitere Rückhaltebecken umfasst, mit umfangreichen Landes- sowie EU-Förderungen (750.000 € – Fördervolumen, insgesamt kostet das Becken Marbach 1,5 Mio €). Dass die Bevölkerung vor Überschwemmungen geschützt wird, ist natürlich begrüßenswert. Wobei dieser Schutz erst dadurch notwendig wurde, dass seinerzeit verabsäumt wurde, ein durchgängiges und nachvollziehbares Verbauungsverbot innerhalb der HQ100 Hochwasserlinie (einmal alle 100 Jahre vorkommendes Hochwasser) auszusprechen – nun muss die Allgemeinheit für diesen nachträglichen Schutz dafür aufkommen.

Marbach: Ein riesiges Becken an einem kleinen Bach

Problematisch erscheint die Dimensionierung: Eine Dammhöhe von 12,5 m ab Bachsohle sowie eine Dammbreite auf Bachniveau von mehr als 60 m. Derzeit rinnen im Normalfall ca. 2 Kübel Wasser pro Sekunde durch den Marbach. Dieses Retentionsbecken ist aber für ein hundertjähriges Hochwasser vorgesehen, mit einem Überlauf für ein fünftausendjähriges. Da das Becken einen Großteil des Jahres leer bzw. nur von einem kleinen Bach durchflossen sein wird, ist die ökologische Ausgestaltung besonders wichtig. Nach einem persönlichen Gespräch zwischen Naturschutzbundmitgliedern, PUK und Gemeinde wurden tatsächlich Bemühungen zugesagt, eine möglichst naturverträgliche Ausführung der Bauarbeiten und naturnahe Gestaltung des Beckens zu realisieren. Wir hoffen, dass die Gemeinde diese Ankündigung auch wirklich umsetzt und eine ökologische Bauaufsicht gewährleistet ist.

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Sicherheitsdenken über alles

Für die weiteren geplanten Rückhaltebecken erhoffen wir eine umfassende Information für die Bevölkerung, eine möglichst naturschonende Umsetzung und ökologische Baumaßnahmen nach den neuesten Standards. Bedenklich stimmt, dass nun an nahezu allen Klosterneuburger Wienerwaldbächen und deren Seitenbächen solche (und weit größer dimensionierte Becken) geplant sind um Häuser, die in den errechneten HW100-Zonen stehen, zu schützen. Gleichzeitig werden viele große Altbäume entfernt, da sie ein Sicherheitsrisiko darstellen (keiner kann und will Haftungsansprüche in Kauf nehmen!), also lieber gleich ganz entfernen! Dass damit wertvolle Lebensräume für Tiere (z.B. auch Nutzinsekten wie Wildbienen, Spechte,…) und ortsprägende Landschaftselemente, die doch so manche/r Mitbürger/in sehr schätzte, entfernt werden, kümmert kaum jemanden.

Bodenversiegelung fördert Hochwässer

Müssen wir uns vor allen Eventualitäten schützen, kann es nicht Kompromisse geben (z.B. Entfernung morscher Äste oder Stehenlassen des Stammes, damit zumindest dieser wieder „besiedelt“ werden kann)? Der Mensch greift ein, verbaut Bäche, widmet Bauland, baut nun große Dämme – jeder Eingriff hat Folgen, die Natur reagiert auf ihre Weise! Im Jahr des Bodens 2015 sollte der Schwerpunkt der Arbeit auf der Verhinderung weiterer Boden-Versiegelung 0 Betonierung/Asphaltierung wertvoller Böden liegen!!! Dort wird aufgrund fehlender Versickerungsleistung ein rascheres Abfließen des Wassers ermöglicht, was wiederum zu größeren Hochwasserwellen führt! Unser übertriebenes Sicherheitsdenken führt aktuell nicht nur zur Verbauung aller „potentiell gefährlichen Bäche“, sondern auch zur Abholzung ganzer Alleen und älterer Waldbestände, da den Spaziergängern bei Sturm ein Ast treffen könnte oder (gar!) ein Auto beschädigen. Die Eigenverantwortung der Menschen (bei Sturm nicht in den Wald zu gehen) war der älteren Generation klar und niemand wäre auf die Idee gekommen, den Waldbesitzer zu verklagen.

Ausgleichsflächen für versiegelte Flächen

Die versiegelte Fläche von Grundstücken ist meist wesentlich größer als die erlaubte „Bebaute Fläche/Bebauungsdichte“, da die Zufahrten und breiten Garageneinfahrten allesamt versiegelt/asphaltiert (manchmal auch noch beheizt) werden. Hier sollte es entweder Vorschreibungen einer maximal erlaubten Versiegelung geben und/oder Ausgleichsmaßnahmen wie Schaffung von Gründächern/begrünten Carports etc. vorgeschrieben werden.

Verbauungsstopp in HQ100-Zonen und Entschädigungen günstiger als Retentionsbecken.

Und zu den Bächen, die nun alle auf HQ100 verbaut werden: Der Mensch kann sich kaum vor allem „Unbill“ der Natur schützen. Vielmehr sollten wir versuchen, Naturphänomene zu erkennen, zu verstehen und zu respektieren. Wohnt man in der Au, muss einem bewusst sein, dass es Überflutungen geben kann (daher nur auf Stelzen bauen!), an Bächen muss mit kurzen Überschwemmungen der Gärten gerechnet werden können (Häuser sollten nicht betroffen sein, wenn doch, ist über Entschädigungen nachzudenken, die allemal noch weniger kosten als die vielen Retentionsbecken). Mitunter entsteht der Eindruck, dass hier v.a. Baufirmen profitieren. Es gibt einige Wasserrückhaltemöglichkeiten, die jeder auf seinem eigenen Grundstück beachten kann um die Allgemeinheit durch rasche Abflüsse nicht zu gefährden.

 

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